Die Zeche Friedrich Heinrich

Zechenpark – Standort der NRW-Landesgartenschau 2020 • Eyller Berg

Nichts prägte die Stadt Kamp-Lintfort ganz im Westen des Ruhrgebiets so wie das Bergwerk Friedrich Heinrich. Als die Zeche am Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet wurde, gab es die Stadt nicht einmal. Die Region war ländlich geprägt mit vielen Bauernhöfen und dem Kloster Kamp. Mit der Zeche, die Mitte 1912 ihre Förderung aufnahm, kam die große Arbeitersiedlung östlich vom Bergwerk, in der Karte unten als „Kolonie“, heute als „Altsiedlung“ bezeichnet. In den 1930er Jahren wurden die umliegenden Ortschaften zur Gemeinde Kamp-Lintfort zusammengeschlossen, die in den 1950er Jahren schließlich die Stadtrechte bekam.

Die Zeche förderte, zuletzt als Bergwerk West im Zusammenschluss mit einigen anderen Bergwerken der Umgebung, bis Ende 2012 Kohle und war damit eines der letzten Steinkohlebergwerke in Deutschland und erlebte noch knapp seinen 100. Geburtstag. Als letztes hat bekanntlich Zeche Prosper-Haniel 2018 in Bottrop nur sechs Jahre später die Tore geschlossen. Ab diesem Zeitpunkt hat die Stadt ihr wirtschaftliches Zentrum verloren – und gleichzeitig in ihrer Mitte eine große Brachfläche bekommen. An dieser Stelle soll die Entwicklung des Bergbaustandorts betrachtet werden.

Die folgende historische Karte aus den 1930er Jahren zeigt die Lage des etwa 20 Jahre alten Bergwerks im Herzen von Kamp-Lintfort (Bildmitte). Die Abbildung ist interaktiv. Mit der Maus oder dem Finger kann je nach Gerät interaktiv zwischen der Situation im 19. Jahrhundert und in den 1930er Jahren gewechselt werden. Vor allem in der älteren Karte ist die ländliche Prägung der Region gut zu erkennen mit kaum einem Ort, der nur wenige Jahrzehnte später vorhanden ist.

Über 1,2 Kilometer erstreckte sich das alte Zechengelände von Nord nach Süd und hat seine Ausdehnung im Laufe der Zeit mehr oder weniger nicht verändert. Die wichtigsten Gebäude und die beiden Fördertürme über den Schächten I und II standen nahe der westlich verlaufenden Friedrich-Heinrich-Allee. In östlicher Richtung erstreckten sich die Anlagen, Lager und Kläranlagen. Ein wenig außerhalb von Kamp-Lintfort befand sich in südlicher Richtung die Schachtanlage III am Fuße der heutigen Halde Norddeutschland, die zeitweise über eine Eisenbahnstrecke angebunden war.

Die folgende Abbildung zeigt das Zechengelände im Jahre 2012 mit nahezu vollständiger Ausstattung. Gut zu erkennen sind die Gebäude und Gleisanlagen. Einige sind bis heute erhalten und auf den nächsten Fotos wiederzuerkennen – allerdings womöglich nicht mehr mit dem, was 2012 noch um sie herum stand. Man beachte dazu beispielsweise den rot-weiß-gestreiften Förderturm und das schräg links davon stehende grüne Strebengerüst.

Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort
Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort

Die Landesgartenschau 2020

Im Jahr 2020 fand im Sommerhalbjahr auf dem Gelände der alten Zeche Friedrich Heinrich die 18. Landesgartenschau (LAGA) statt. Bereits in der Vergangenheit gab es einzelne Bundes- oder Landesgartenschauen z.B. auf dem Gelände der Zeche Nordstern, der Zeche Osterfeld und einer Kaserne in Hemer. Aus ihnen wurden später der Nordsternpark, der OLGA-Park und der Sauerlandpark. 2014 hat sich die Stadt Kamp-Lintfort dafür beworben und ein Jahr später den Zuschlag erhalten.

Die meisten Anlagen und Bauten der Zeche wurden abgerissen. Erhalten blieben die Fördertürme über den Schächten I und II und einige wenige heute denkmalgeschützte Gebäude wie Lohnhalle, Lüftergebäude, Maschinenhaus und Magazin entlang der Friedrich-Heinrich-Allee, die zusammen ein interessantes und in der Backstein-Architektur einmaliges Ensemble entlang der Allee bilden. Die freigewordenen Flächen von ca. 25 ha insbesondere der Bahnverladung wurden zu einem hügeligen grünen Park mit einzelnen Blumeninseln. Die mehrere Meter hohen Hügel sind sogenannte Sicherungsbauwerke, die u.a. abhängig von ihrer Größe die Namen „Kleiner Fritz“ und „Großer Fritz“ tragen. Wege und Hügel sind teilweise in weiten Bögen gespannt, die Hauptpromenade folgt jedoch der Ausrichtung en Anlagen der Zeche. Es gab eine Ausstellungshalle für Blumen und Themengärten, in denen man sich Ideen für die eigene Garten- und auch Grabgestaltung holen konnte.

Fördergerüst über dem Schacht II neben dem jüngeren Förderturm aus den 1950er Jahren über dem Schacht I
Fördergerüst über dem Schacht II neben dem jüngeren Förderturm aus den 1950er Jahren über dem Schacht I
Die zwei Landschaftsbauwerke "Kleiner Fritz" und "Großer Fritz" mit jungen Bäumen
Die zwei Landschaftsbauwerke „Kleiner Fritz“ und „Großer Fritz“ mit jungen Bäumen
Sonniges Plätzchen auf den grünen Hügeln der Landesgartenschau Kamp-Lintfort 2020
Sonniges Plätzchen auf den grünen Hügeln der Landesgartenschau Kamp-Lintfort 2020

Besondere Attraktion war die Auffahrt auf den Förderturm von Schacht I. Im Gegensatz zu seinem kleinen Nachbarn, dem stählernen Fördergerüst über Schacht II, ist der 79 m hohe Förderturm quaderförmig und besteht aus Beton. Er ist jünger und stammt aus der Mitte der 1950er Jahre, als sein Vorgänger, der so aussah wie das Fördergerüst nebenan, durch diesen Neubau ersetzt wurde.

Ganz oben befinden sich heute noch die zwei elektrischen Fördermaschinen, die je von einem Maschinisten in einer gläsernen Leitwarte bedient wurden. Die etwa 12 m hohe Halle auf der Turmspitze besitzt große Fenster und einen umlaufenden Außenbalkon. Von ihm hat man einen schönen Blick über die Niederrheinebene und sieht in der Umgebung die Halden und Deponien, am Horizont die Industriekulisse von Duisburg und das nahe Kloster Kamp. Die folgenden Aufnahmen zeigen die Halle und das Landesgartenschaugelände im Herbst 2020.

Blick von einem der Maschinistenhäuser auf die Maschine
Blick von einem der Maschinistenhäuser auf die Maschine
Blick über die Zechensiedlung zur Halde Pattberg und nach Duisburg
Blick über die Zechensiedlung zur Halde Pattberg und nach Duisburg

Heute ist das Gelände zum Teil eine öffentliche Grünanlage mit kleinem Zoo – siehe nächster Abschnitt.

Zweiter Standort der Landesgartenschau war das Kloster Kamp, das wenige Kilometer entfernt ist. Beide Standorte sind seit 2010 über den Wandelweg miteinander verbunden. Für Radfahrer und Spaziergänger getrennt folgt der Weg der Großen Goorley, die im Zuge der Sanierung des Zechengeländes aus ihrer Kanalisierung und Verrohrung befreit wurde und nun als offener Bach munter Richtung Fossa Eugeniana plätschert.

Heute und die weitere Entwicklung

Heute sind große Teile des Geländes der Zeche und Landesgartenschau eine öffentliche Grünanlage mit Spielplätzen – der sogenannte „Zechenpark“. Er ist von der Stadtmitte aus und von mehreren Zugängen an der Ringstraße zu erreichen. Im Süden des Geländes befindet sich die Kamp-Lintforter Spiel- und Tieroase (kurz: KALISTO).

Einige Angebote der Landesgartenschau 2020 sollen auch nach ihrem Abschluss erhalten bleiben. Der Aussichtspunkt auf dem Förderturm ist ein Beispiel dafür. Einige Bereiche werden jedoch wieder zurückgebaut. Geplant sind beispielsweise weitere Wohnbauflächen vor allem westlich der zentralen Achse, wo sich während der LAGA die Zelte und Gebäude in Leichtbauweise befanden. Ein Teil des Wegenetzes des Parks verbindet später diese neue Wohnsiedlung mit der Altsiedlung auf der östlichen Seite der Großen Goorley und der Beamtensiedlung im Norden. Es besteht außerdem Bedarf nach einem Supermarkt.

Wesentliche Herausforderung ist die Verlängerung der Eisenbahnstrecke in Richtung Ortsmitte und Hochschule. Durch die Landesgartenschau erhielt die Stadt erstmals einen Anschluss an das Nahverkehrsnetz im Eisenbahnverkehr. Bisher war sie die drittgrößte Stadt in Deutschland ohne einen Bahnhof. Südlich vom Gartenschaugelände wurde auf der sanierten Zechenbahn zwischen Moers und Kamp-Lintfort ein Haltepunkt errichtet. Die Strecke wird später durch das Parkgelände fortgeführt. Die Züge könnten 2026 erstmals regulär fahren und Stadtmitte mit der Hochschule mit den Städten Moers und Duisburg verbinden.

Informationen zum Besuch:

Anreise mit dem Auto:

Auf der Autobahn A42 bis zum westlichen Ende Kreuz Kamp-Lintfort und dort weiter auf der B528 Richtung Kamp-Lintfort Süd. Am Ende rechts in die Friedrich-Heinrich-Allee und dem Straßenverlauf etwa 1,5 km folgen. Hinter der Zeche befindet sich ein Parkplatz. Alternativ an der Ringstraße in der Nähe der einzelnen Zugänge zum Zechenpark parken.

Zieleingabe ins Navigationssystem: Friedrich-Heinrich-Alle oder Ringstraße in Kamp-Lintfort

Anreise mit Bus und Bahn:

Bis Züge nach Kamp-Lintfort fahren, muss auf den Bus ausgewichen werden. Beispielsweise mit dem Schnellbus von Duisburg Hbf. oder von den Bahnhöfen Moers oder Geldern.

Geographische Koordinaten:
51°29’40.68″N, 6°32’50.74″E – Förderturm I
51°29’38.01″N, 6°32’51.33″E – Förderturm II

UTM-Koordinaten (Zone 32):
329752 m, 5707682 m – Förderturm I
329761 m, 5707600 m – Förderturm II

Geographische Koordinaten können in das Eingabefeld von z.B. GoogleEarth und OpenStreetMap kopiert werden.

Tipp! In der Funktion „Historische Luftbilder“ in GoogleEarth kann der Wandel von der Zeche über den Abriss bis zum LAGA-Gelände nachvollzogen werden!

Nützliche Informationen zum Lesen der Koordinaten und Verwendung in GPS-Geräten bietet der Beitrag Anreise, GPS und Co.

Anreise mit dem Fahrrad / E-Bike:

Die NiederRheinroute führt durch die Altsiedlung in der Nähe der alten Schachtanlage vorbei. Von hier aus gibt es Zugänge zum Zechenpark.

Kartenmaterial / Literatur:

In den dargestellten gedruckten Rad- und Wanderkarten und Tourenführern ist die Region des in diesem Beitrag beschriebenen Ortes abgebildet. Die thematisch passenden Bücher sind zur Vertiefung empfohlen. Mit Klick auf die jeweilige Karte gelangen Sie zur entsprechenden Seite bei Amazon*.

     

Tierpark KALISTO: www.kalisto-tierpark.de


Vom Eyllschen Berg zur Deponie Eyller Berg

Unweit des Wasserschlosses Eyll bildete der Eyllsche Berg mit 63 Metern über dem Meeresspiegel eine bewaldete, natürliche Erhebung aus der Saale-Eiszeit. Im Jahre 1912 begann die Förderung von Kohle durch die in diesem Beitrag bereits beschriebene Zeche Friedrich Heinrich. Man begann die großen Vorkommen von Ton und Kies des Eyllschen Berges abzubauen und u.a. zur Verfüllung zu verwenden. Dazu wurden Kiesgruben im Berg angelegt. Verwendung fand das Material auch beim Bau der Autobahn A40.

Während der Berg also zunächst abgegraben wurde, erfolgte etwa ab der 1950er Jahre die gegensätzliche Tendenz: Die ausgekiesten Gruben wurden wieder verfüllt. Dies geschah durch Hausmüll, Schutt und Bergematerial der Zeche – die Deponie Eyller Berg entstand. Schließlich wurde die Anlage zu einer Sondermülldeponie klassifiziert.

Die folgende historische Karte aus den 1930er Jahren zeigt den Eyllschen Berg (rot hervorgehoben) in natürlicher Form und den ersten Kiesgruben an der Ostseite (ebenfalls rot). Mit der Maus oder dem Finger kann je nach Gerät interaktiv zwischen der historischen und der aktuellen Situation gewechselt werden.

Die Deponie Eyller Berg gehört mit der Deponieklasse III zu der mit den gefährlichsten Abfällen, die oberirdisch gelagert werden. Traditionell streiten sich an jedem Ort vergleichbarer Deponien Betreiber, Politik, Anwohner und Umweltschützer über die tatsächliche Gefährdung und Auswirkungen auf die Natur, Menschen und Tiere. Eine Bürgerinitiative zur Schließung der Deponie hat sich gegründet, im Ort am Fuße des Eyller Bergs ließen sich immer wieder Protestbanner entdecken. Thematisiert werden dabei beispielsweise Bergsenkungen, die die Abdichtung zerstört haben könnten, Krebsvorkommen im Umkreis oder PCB-Nachweise auf Äckern.

Die unrühmliche Giftmülldeponie hat nach derzeitigen Erkenntnissen immerhin die Ehre, durch die ein Teil des Volumens eingenommenen Bergeanschüttungen durch die Zeche Friedrich Heinrich die westlichste Bergehalde im Ruhrgebiet zu sein.

Giftmülldeponie Eyller Berg im Landschaftsschutzgebiet bei Kamp-Lintfort – Blick von der Landstraße aus Richtung Rayen
Giftmülldeponie Eyller Berg im Landschaftsschutzgebiet bei Kamp-Lintfort – Blick von der Landstraße aus Richtung Rayen

Hinweis: Der Eyller Berg ist nicht zugänglich als Aussichtspunkt und kann nur aus der Ferne betrachtet werden – so wie im Foto dargestellt.

Anreise mit dem Auto:

Auf der A42 und A57 bis zum Kreuz Kamp-Lintfort und dort Richtung Kamp-Lintfort auf die B528. Am Ende links abbiegen auf die Friedrich-Heinrich-Allee. Nach 1,5 km an der Ampel rechts abbiegen in die Geldernsche Straße und Rayen durchqueren. Kurz vor dem Ortsausgang rechts abbiegen auf die Eyller Straße. Kurz darauf liegt die Deponie geradeaus. Von hier aus lässt sie sich auch bereits am besten betrachten.

Zieleingabe ins Navigationssystem: Eyller-Berg-Straße in Kamp-Lintfort, z. B. Nähe Kreuzung Honig(s)huck

Geographische Koordinaten:
51°28’55.6″N, 6°31’18.6″E – Eyller Berg (Deponie)
51°29’05.4″N, 6°30’55.5″E – Pfarrkirche Eyll
Die Koordinaten können in das Eingabefeld von z.B. GoogleEarth und OpenStreetMap kopiert werden.

UTM-Koordinaten (Zone 32): 327493 m, 5706669 m – Pfarrkirche Eyll

Anreise mit Bus und Bahn:

Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn besitzen keinen Anschluss an den Schienen-Personenverkehr. Die Anfahrt ist somit nur mit großem Zeitaufwand durch (z.T. unregelmäßige) Busse möglich. Die Anreise mit dem Auto wird empfohlen.

Anreise mit dem Fahrrad / E-Bike:

Die NiederRheinroute führt nördlich von Rayen hinter dem Rayener Berg in der Nähe des Eyller Berges vorbei.